Das Ziel vor Augen besiegt die Erschöpfung: Johannes Weißenfeld berichtet
16.01.2016 | 05:37 Uhr
Johannes im Jahr 2014, Foto: Carsten Oberhagemann
Sabaudia/Herdecke. Brasilien ist im Sommer das Ziel der Träume für Sportlerinnen und Sportler: Am 5. August 2016 beginnen die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. Und auch Leistungsträger aus Herdecke hoffen, dort an den Start gehen zu können. Die Lokalsport-Redaktion stellt die heimischen Hoffnungsträger vor und begleitet sie in den nächsten Monaten auf ihrem Weg nach Rio. In unserer Serie berichten sie in einem persönlichen Tagebuch über ihre Etappenziele und sportlichen Herausforderungen, über mögliche Rückschläge und Erfolge.
Im dritten Teil schreibt der Ruderer Johannes Weißenfeld (21) aus Herdecke über seinen Traum von Olympia und die Vorbereitungen:
„Ich fühle mich gut. Vor einem guten dreiviertel Jahr haben Max Korge vom Berliner Ruder-Club und ich als Jünglinge den Sprung in das Team des Deutschlandachters geschafft. Wir sind sozusagen Teil des Stammes, aus dem die Nationalmannschaft für die Olympischen Spiele in Rio gebildet wird. Ich rudere mit Max nun schon im dritten Jahr zusammen im Zweier ohne Steuermann.
Dabei bleibt es aber nicht. Wir wohnen zusammen in einer Wohngemeinschaft, sind menschlich auf einer Wellenlänge und verstehen uns blendend. Man könnte also sagen, wir sind den ganzen Tag zusammen, während des Trainings und in der Freizeit. Vielleicht ist das auch Teil unseres „Erfolgsrezeptes“, womit wir unsere Ziele bisher fast immer erreicht haben. Denn in einem Zweier ohne Steuermann ist Harmonie für mich auch ein wichtiger Faktor, da wir jeden Tag rund vier Stunden in einem Boot verbringen.
Für andere Leute beginnt der Tag mit ihrem Job, sie arbeiten bis abends und fahren dann erschöpft nach Hause. Das ist bei mir nicht anders, ich fahre zum Olympiastützpunkt am Dortmund-Ems Kanal und mache wie jeder andere meinen „Job“.
Nicht besonders viel Geld
Ein kleiner Unterschied jedoch ist, dass ich damit nicht besonders viel Geld verdiene. Was natürlich auch immer vom Erfolg abhängig ist. Da frage ich mich schon manchmal: „ Was passiert, wenn ich mich verletze oder eine Saison ausfalle?“
Solche Gedanken schlage ich mir meist schnell aus dem Kopf und denke mir: „Zum Glück baust du dir mit deinem Medizinstudium so gut es geht ein zweites Standbein auf“.
Der Tag beginnt meist um 7.30 Uhr mit einer 90-minütigen Rudereinheit. Anschließend geht es zu unserem Koch Peter Barkholtz, der uns mit einem deftigen Frühstück versorgt. Um 11 Uhr wird dann eine etwas kürzere Trainingseinheit absolviert, zum Beispiel Fahrradfahren, Krafttraining oder Gymnastik. Anschließend gibt es Mittagessen. Danach verziehe ich mich meist in die Ruheräume, um die Kraftreserven für die dritte Einheit am Nachmittag wieder aufzuladen.
Um 15 Uhr ist dann wieder eine 90-minütige Rudereinheit auf dem Wasser angesetzt. Ich fühle mich müde und erschöpft. Der innere Schweinehund ist groß, um sich noch mal anzustrengen, aber der Traum und das Ziel vor Augen sind stärker als die Erschöpfung.
Das Training ist geschafft. Nun geht es nach Hause. Das Motto der Trainer um Ralf Holtmeyer lautet: „The same procedure as every day.“
Ich bin motiviert, die Zeit bis Olympia voll auszuschöpfen und mich voll und ganz dem Sport zu widmen. Das Studium habe ich für zwei Semester zurückgeschraubt, um mich voll auf das erste langfristige Etappenziel zu fokussieren: Die interne Qualifikation für die Nationalmannschaft.
Das erste Wintertrainingslager in Avis habe ich im Dezember mehr oder weniger erfolgreich überstanden. Während der sehr intensiven Zeit in Portugal merkte ich, dass etwas mit meinem Unterarm nicht in Ordnung war. Hin und wieder hatte ich etwas Probleme beim Training, allerdings nicht so gravierend, dass ich dadurch Training hätte ausfallen lassen müssen. Mein körperlicher Zustand war aber im Großen und Ganzen gut.
Es heißt ja nicht „Gesundheitssport“
Dementsprechend trat ich sehr zufrieden die Heimreise an. Weihnachten verbrachte ich sehr besinnlich im Kreise meiner Familie und mit meiner Freundin. Die Zeit nutzte ich zur Erholung, um mit voller Kraft ins neue Jahr zu starten. Neujahr bedeutet gleichzeitig: Olympisches Jahr. Das Ziel fast schon zum Greifen nahe ...
Am 4. Januar ging es nach Sabaudia in Italien. Hier werden ebenfalls die physische Leistungsfähigkeit und die Rudertechnik im Boot verbessert. Jetzt sitze ich hier in Sabaudia und schreibe einen Artikel über mein Leben in der Olympiavorbereitung. Die Unterarmprobleme haben sich während der kurzen Weihnachtspause verstärkt. Die Diagnose: Sehnenscheidenentzündung im Unteram – der erste Rückschlag seit langem.
Das viele Training hat seine Spuren hinterlassen. Ich denke es ist eine Reaktion meines Körpers um mir zu zeigen, dass er überlastet ist. Aber das ist im Leistungssport nicht ungewöhnlich, deshalb heißt es wohl auch nicht Gesundheitssport. Das Handicap hindert mich aber nicht daran, zu trainieren. Allerdings findet mein Training nun größtenteils auf dem Rennrad statt.
Am Mittwoch konnte ich dann auch das erste Mal wieder Rudern. Das ging schon wieder gut. Ich hoffe, dass es so weitergehen wird. Jetzt heißt es, den Arm wieder ganz gesund zu kriegen und weiter zu arbeiten, um meinem Ziel ein Stück näher zu kommen.“
Quelle: www.derwesten.de